Sit plenum venter in corpore sano!
November 25th, 2006 at 15:52
Geschrieben von max in Allgemein

Beschwerlich ist der Tagesablauf des Künstlers. Wer da immer meinte,
geistige Arbeit sei ein heiterer Wechsel zwischen Absinth und bizarren
Ausschweifungen, der irrt. Absinth wird zugunsten edlerer Getränke
stehengelassen und ansonsten ist ja heutzutage sowieso alles erlaubt. Um
meine Behauptungen zu untermauern, erlaube ich den ehrenwerten Lesern einen
Blick in mein bislang unveröffentlichtes Künstlertagebuch.

14 Uhr: Der Wecker klingelt. Wer es zu etwas bringen will, muß schon früh
aufstehen. Ein harter Arbeitstag bricht an. Ich werde mindestens elf
Minuten brauchen, um die ganzen Bilder zu signieren, die meine Mitarbeiter
über Nacht gemalt haben.

14 Uhr 13: Es hat doch alles etwas länger gedauert, als erwartet. Besonders
weil ich immer solang nachdenken mußte, um herauszufinden, wo bei den Bildern oben ist.

15 Uhr 13: Nach einer einstündigen Ruhepause fühle ich mich nun bereit, die
Büroarbeiten erledigen zu lassen. Mit einem goldenen Glöckchen läute ich
meiner blonden, langbeinigen Sekretärin mit dem süßen Silberblick. Solange
ich auch läute, das faule Luder kommt einfach nicht herbeigestöckelt. Mich
wundert das nicht, denn ich habe gar keine Sekretärin. Aber die Vorstellung
eine zu haben gefällt mir sehr gut.

15 Uhr 15: Es wird Zeit, den täglichen kreativen Output zu bewältigen.
Gerade kommt mir eine glänzende Idee, doch da bimmelt das Telefon. Es ist
die Kanzlerin, der nach einer bahnbrechenden Kunstaktion für die
Bundeshauptstadt sucht. Ich liefere ein schlüssiges Konzept, das
soviele Fremdworte enthält, daß nicht mal ich selber verstehe was ich
meine. Angie klingt begeistert. Besonders mein Vorschlag, Guido Westerwelle
luftdicht zu verpacken, findet ihr Interesse.

15 Uhr 30: Ich widme mich meinem literarischen Werk. Mit einer Flasche
Kirschgeist setze ich mich zum Literatenzirkel unter meiner Stammbrücke.
Ich stelle die Flasche in die Mitte, warte bis sie leer ist und zücke dann
den Stenoblock. Mein romantisches Sittengemälde einer Pennerdynastie soll
im kommenden Jahr unter dem Titel “Die Buddelbrooks” im rororoVerlag
erscheinen. Es ist mir zwar herzlich schnuppe in welchem Verlag mein Werk
erscheint, aber “rororo” kann ich wenigstens auch betrunken aussprechen.

16 Uhr 15: Die kommende “Dokumenta” in Kassel interessiert sich telefonisch
dafür, eines meiner Werke auszustellen. Mein Vorschlag: Ich lasse den
Frankfurter Flughafen im Maßstab eins zu eins nachbauen und plaziere davor
einen leeren Fahrradständer. Das Meisterwerk heißt: “Das geklaute Fahrrad”.
Die Leitung der “Dokumenta” ist begeistert. Jetzt weiß man endlich, wohin
mit den vielen Millionen.

16 Uhr 30: Pamela (Name von der Red. geändert) kommt zum Tee. Wir flüstern
uns süße Geheimnisse ins Ohr. Anschließend knöpfe ich ihr die Regenumhang
auf und greife ihr, wild vor Leidenschaft, an ihre wogenden Schlüsselbein.
Schließlich reiße ich ihr das seidene Taucheranzug von ihrem apfelförmigen
Kniescheibe, spreize ihre runden, gebogenen Schulter und dringe mit meinem
stahlharten, pulsierenden Wadenbein in sie ein. (Kleidungsstücke und
Körperteile von der Red. geändert) Es ist jedesmal wundervoll, wenn Pamela
zum Tee kommt, allerdings verschüttet sie dabei das meiste.

19 Uhr 15: Ich mache mich fein für eine Vernissage. Als Künstler muß man
sich in der öffentlichkeit präsentieren. Ich finde diese
Akademikerschnattertreffen zwar gähnlangweilig, aber es gibt immer Häppchen
und Gratis Sekt. Ich werde heute abend einen grauen SynthetikAnzug mit
hellblauem Hemd und dunkelblauer Krawatte anziehen. Ich weiß jetzt schon,
wie mir die ganzen grellbunten Modepapageien zu Füßen liegen werden.
Nächste Woche ziehe ich mich dann wieder quietschbunt an, wenn alle anderen
in den grauen Synthetikanzügen herumlaufen. So werden Trends gemacht.

22 Uhr 30: Viele Gläschen GratisSekt später falle ich in stark
derangiertem Zustand ins Bett. Das letzte, woran ich mich erinnern kann,
ist ein Gespräch mit einem Theaterregisseur, dem ich ein experimentelles
Stück von neun Stunden Gesamtlänge vorschlug, bei dem ich mir zu
Preßlufthammergeräuschen vom Tonband unentwegt die Zähne putzen würde.

3 Uhr 45: Ich schrecke noch einmal im Schlaf hoch: Natürlich! Jetzt weiß
ich, was dem neuen Theaterstück fehlt. Die Zuschauer müssen an die
Sitzplätze gekettet werden, sonst hauen sie womöglich ab! Ich werde morgen weiter dran arbeiten.

14 Uhr: Der Wecker klingelt. Ach nein. das ist nur mein Schädel. Ein neuer
Tag voll harter Arbeit wartet meiner!

Und so liebe Leser geht das unentwegt. Leicht ist das nicht!


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